BLUTSPUREN

(Gedichtband 5)

© 1996 - 1999

Vorwort

Ich kann es wirklich selbst kaum glauben, aber dies ist bereits mein fünfter Anlauf, um Episoden aus meinem Leben in gereimten Worten zu fassen. Allerdings weiss ich immer noch nicht, was Ihr von der Lektüre meiner Gedichte erwartet, ob ihr wieder eher provozierende und vielleicht auch etwas irritierende Texte wie in meinem letzten Gedichtband „Mit meinen Augen“ lesen wollt oder vielleicht doch eher meine gefühlsbetonte Art, so wie man es in meinen früheren Werken findet. Ich versuche in diesem Band, eine Art Mischform zu finden, in der Hoffnung, es gelingt mir auch. Aber eigentlich spielt es keine Rolle, was Ihr erwartet, weil es braucht niemand, meine Gedichte zu lesen. Trotzdem bin ich gerne bereit, den Inhalt zu erklären, aber ich will nicht schreiben, nur um mich anzupassen

Was aber bestimmt nicht den Erwartungen entspricht, ist ein Krimi, auch wenn der Titel "Blutspuren" etwas in dieser Richtung vermuten lässt. Mein Anliegen bleibt auch weiterhin, über die "kleinen" Dinge des Lebens zu schreiben. Trotzdem wählte ich mit "Blutspuren" einen etwas brutal klingenden Titel. Dabei ist er auf den zweiten Blick gesehen gar nicht so furchtbar grausam, denn jagt unser Blut bei Liebe und Glück nicht wie aufgewühlt durch unsere Adern, hinterlässt also die Freude nicht auch "Blutspuren"? Und wer kennt bei Trauer und Schmerz den Ausdruck nicht: "mein Herz blutet"? Gibt es also einen treffenderen Titel, wenn man über Dinge schreiben will, die wehtaten, die glücklich machten oder die irritierten, als "BLUTSPUREN"? Wahrscheinlich schon, aber der Begriff finde ich trotzdem ziemlich treffend, denn der erste Teil "Blut" gibt einen Hinweis darauf, dass das Leben manchmal sehr grausam und brutal sein kann und der zweite Teil "Spuren" weist darauf hin, dass viele Episoden in unserem Leben, ihre Spuren hinterlassen und zu keinem Zeitpunkt einfach geschehen, um sich danach in Luft aufzulösen, wie immer noch sehr viele glauben möchten.

Die Meisten von Euch werden, meine Art und Weise zu schreiben kennen, für alle anderen möchte ich allerdings gerne darauf hinweisen, dass ich mit meinen Texten durchaus verwirren und Fragen aufwerfen will, keiner meiner Texte soll eine abschliessende Lösung sein, sondern viel mehr Denkanstösse darstellen und nur als Diskussionsgrundlage dienen.

Es ist auch nicht meine Absicht, und darauf lege ich besonderen Wert, mit meinen Gedichten irgendwelche Rachegelüste zu stillen oder zu manipulieren. Ich will damit auch nicht sagen: "Seht her, ich habe es Euch schon immer gesagt." Aber ich will trotzdem nicht darauf verzichten, meine Meinungen und meine ehrlichen Gefühle in meine Texte zu legen. Sollte meine Haltung in einigen Fragen allerdings zu Missverständnissen führen, gibt es keine andere Möglichkeit, als diese in einem offenen Gespräch zu klären, damit die möglichen Ungereimtheiten nicht ihre negativen "Spuren" in der Zukunft hinterlassen. Ich weiss, es ist nicht leicht heikle Themen in einem Gespräch "auf den Tisch zu bringen". Doch denkt nicht, dass es einfach für mich wäre, diese Texte zu schreiben, vergesst dies bitte nicht beim Studium von meinen Texten.

Eigentlich wünsche ich mir einfach, dass ich Euch mit meinen Texten auf dem Weg der Gefühle erreiche und nicht nur auf der Ebene des Verstandes. Denn ich wünsche mir, dass ihr die "Spuren" in der Gegenwart, welche die von mir beschriebenen Episoden hinterliessen, erkennen könnt und zwar bei den Betroffenen, wie vielleicht auch bei Euch selber. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass ich mich irre. Allerdings bin ich gerne bereit, Kritik bezüglich meiner Fehler zu Herzen zu nehmen, weil nur so ist es mir möglich, meine Ansicht über das Leben immer mehr der "Wahrheit" anzupassen, soweit diese überhaupt existiert. Und dieser Schritt ist tatsächlich nur möglich, indem ein Austausch von persönlichen "Wahrheiten" stattfindet. Und die folgenden Texte sind doch genau gesehen nichts anderes als ein Teil von meiner Wahrheit, welche ich gesehen und erlebt habe, aber in erster Linie erfühlt habe.

Ich weiss, bei Gefühlen gibt es oftmals Missverständnisse und Fragezeichen, weil sie meistens nicht ausgesprochen werden, leider mache ich dabei auch keine Ausnahme.

Ein erster Schritt gegen meine eigene Unfähigkeit mich auszudrücken, sind meine Texte, wenn ich mich dabei auch auf sehr dünnem Eis bewege, weil wie leicht kann Vertrauen missbraucht werden, ich erlebte es schon sehr oft. Aber was macht es für einen Sinn, immer vom negativen Fall auszugehen, deshalb biete ich mein Vertrauen mit diesen Texten an, auch wenn mir bewusst ist, dass sich dahinter ein gewisses Risiko für mich verbirgt. Denn die Schrift, wenn es nur dabei bleibt, ist ein sehr einseitiges Kommunikationsmittel.

Aber auf der anderen Seite ist es auch ein wirklich dankbares Kommunikationsmittel, denn Papier ist geduldig, und es lässt mir Zeit, meine Gedanken reifen zu lassen, so gerate ich nicht in Versuchung, überhastete Schlüsse zu ziehen, wenn vielleicht auch gerade auch in diesen ein gewisser Reiz liegt.

Aber halt, eigentlich wollte ich hier ein Vorwort zu meinem neuen Werk "Blutspuren" schreiben, doch was ich hier tue ist nur ein "Spintisieren" und sicher nicht ein Reifen lassen von Gedanken. Denn wenn ich mir es recht überlege, sind meine hilflosen und kläglichen Versuche als Dichter nichts weiter als ein Schuldgeständnis von meinen Mängel, mich mit meinem Leben auf dem gewöhnlichen Weg zu offenbaren und es tut mir weh, wenn ich mir so überlege, dass meine Gedichte wahrscheinlich nur ein sinnloser Versuch ist, die Welt zu erreichen, in welcher ich bereits seit beinahe dreissig Jahre lebe und die trotzdem für mich auf seltsame Weise immer unerreichbar und fremd blieb. Darum mache ich mich wieder auf den Weg, um Antworten zu finden, auf die Frage, warum dies eigentlich so ist? Eine Suche auf welcher ich mich sehr oft einsam fühle, auch wenn ich weiss, dass es unzählige Gleichgesinnte gibt. Doch auch dies vertreibt meine Melancholie nicht auf meiner Suche nach unverschlossenen Türen da draussen. Da draussen, in einer Welt, die ganz bestimmt auch ohne mich stattfindet, wenn ich auch selbst einen kleinen Teil davon bin.

Eine Welt, welche aus verschlossenen Türen besteht und deshalb kann es nicht meine Welt sein, denn meine Phantasien sehen anders aus. Dies ist ein Grund, weshalb ich mit diesen Texten versuche eine Tür offen zu halten, vielleicht nur ein kleiner und unbedeutender Protest gegen eine Gesellschaftsform, welche niemals die Meine sein kann. Ich weiss, ich ändere damit kaum etwas, so dass es auf dieser Welt meine Ansichten nicht ins Gewicht fallen, doch aufgeben, dies will ich nicht (oder vielleicht noch nicht). Ich halte meine Türe weiter offen, in der Hoffnung irgendwo dort draussen auf Gleichgesinnte zu treffen, welche bereit sind, mit mir zusammen immer wieder gegen das Unvermeidliche anzukämpfen. Und ich weiss, dass es sie gibt, denn ich begegne ihnen immer wieder und dies macht Hoffnung. Aber ich denke, Ihr kennt das Gefühl, auf Menschen zu treffen, die versuchen etwas zu bewirken und die deshalb unsere Hochachtung verdienen.

Doch jetzt wird es Zeit, meine Gefühlsduselei endlich abzubrechen, bitte entschuldigt, ich wollte mich nicht im Irrgarten von meinen Gedanken verlieren, denn eigentlich wollte ich Euch in diesem Vorwort nur sagen, lasst die Texte auf Euch wirken und bildet Euch Eure eigenen Meinungen, weil falscher als meine Eigene kann sie wahrscheinlich auch nicht sein. Aber jetzt möchte ich Euch, mit einem Zitat von "Chamfort" in die Welt wie ich sie sehe und welche tiefe Spuren in mir hinterlassen hat, entlassen.

Man kann unmöglich in der Welt leben,

Ohne von Zeit zu Zeit Komödie zu spielen.

Es nur im Notfall zu tun, unterscheidet den

anständigen von dem unanständigen Menschen.

Mit dem Schuldgeständnis eines unanständigen Menschen wünsche ich Euch sehr viel Vergnügen

Andrew Freiermuth